Kindeswohl/-gefährdung

Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Die Kinder haben ein Recht zu wachsen, zu lernen und zu gedeihen, ihre Persönlichkeit zu entfalten und sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln.

So steht es im Grundgesetz, Art.2 Abs. 1 und Art. 1 Absatz 1 in Verbindung mit dem §1631 Abs. 2 BGB und der UN-Kinderrechtskonvention.

Als Kindertagespflegeperson ist es Ihre Aufgabe, die Kinder nach diesen Grundsätzen zu erziehen, zu betreuen und zu fördern. Im § 8a Sozialgesetzbuch VIII wird der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung beschrieben. Hiernach sind auch Sie aufgefordert, darauf zu achten, dass das Kindeswohl gesichert ist, und aufmerksam zu sein, wenn es Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung gibt. Was aber, wenn Sie den Verdacht haben, dass diesem Recht  der Kinder nicht genügend entsprochen wird?

Zunächst ist es nur ein Verdacht auf Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuellem Missbrauch eines Mädchen oder Jungen. Hier gilt es Ruhe zu bewahren und nicht in blinden Aktionismus zu verfallen. Zu leicht können die eigenen Gefühle wie Wut, Empörung, Mitleid mit dem Kind oder Verständnislosigkeit den Erziehungsberechtigten gegenüber einen klaren Blick für die Situation und die Handlungsweise trüben. „Mit diesen Gefühlen sollten wir die Kinder verschonen, denn bei heftigen Reaktionen kann es sein, dass sich die Kinder wieder verschließen oder ihre Aussagen zurück ziehen. Sie werden unsicher, ob der ins Vertrauen gezogene Erwachsene die Situation überhaupt aushalten kann.“

(Quelle: Familienhandbuch.de/cmaain/f_Programme/a_Angebote_und_Hilfen/s_441vom)

Formen einer möglichen Gefährdung

Unterlassung und gefährdende Handlungen

  • Vernachlässigung
    Unterlassen von:
    ausreichender Ernährung, Kleidung, Körperpflege, medizinischer Versorgung, ungestörtem Schlaf, altersgemäßer emotionaler Zuwendung
  • Vernachlässigung der Aufsichtspflicht
    Unterlassung von Betreuung und Schutz vor Gefahren
  • Gewalt, physische Misshandlung
    Schlagen, Schütteln, Einsperren, Würgen, Fesseln u.ä.
  • Sexuelle Misshandlung
    Einbeziehung des Kindes in eigene sexuelle Handlungen, Nötigung des Kindes sexuelle Handlungen vor den eigenen Augen durchzuführen, Aufforderung an das Kind, sich mit und/oder vor anderen sexuell zu betätigen u. A.
  • Seelische Misshandlung
    Androhung von Gewalt und Vernachlässigung, Anschreien, Beschimpfen, Verspotten, Entwerten, Ausdruck von Hassgefühlen gegenüber dem Kind u. Ä., Ausübung von Gewalt, sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung, seelischer Misshandlung an einem anderen Familienmitglied, Aufforderung an das Kind, andere zu vernachlässigen oder zu misshandeln
  • Häusliche Gewalt
    Miterleben von gewalttätigen Auseinandersetzungen (emotionale, körperliche und sexuelle Gewalthandlungen) zwischen den Eltern (Schlagen/Treten/Stoßen/Beschimpfen/Vergewaltigen der Mutter/des Vaters u. Ä.), Entwicklung von Schuldgefühlen für das Verhalten der Eltern/Vater/Mutter, Loyalitätskonflikte gegenüber Eltern

Indikatoren einer Kindeswohlgefährdung

  • Körperlich
    Unterernährung, unangenehmer Geruch, unversorgte Wunden, chronische Müdigkeit, nicht witterungsgemäße Kleidung, Hämatome, Narben, Krankheitsanfälligkeit, Knochenbrüche, auffällige Rötungen oder Entzündungen im Anal- und Genitalbereich, körperliche Entwicklungsverzögerung usw.
  • Kognitiv
    eingeschränkte Reaktion auf optische und akustische Reize, Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche, Verzögerung der Sprach- und Intelligenzentwicklung usw.
  • Psychisch
    apathisch, traurig, aggressiv, schreckhaft, unruhig, schüchtern, verschlossen usw.
  • Sozial
    kein Einhalten von Regeln und Grenzen, distanzlos, Blickkontakt fehlt, beteiligt sich nicht am Spiel usw.
  • Auffälligkeiten
    Schlafstörungen, monotones Schaukeln, Wackeln, Wiegen oder Wippen, Anschlagen mit dem Kopf an die Wand/Bett, Essstörungen, Einnässen, Selbstverletzung, sexuelles Verhalten, Stottern
    (Quelle: Anne Marotzke-Richter, Kindeswohlgefährdung — Erkennen und Helfen, ZeT, Zeitschrift für Tagesmütter und -väter, 5/2009)

Wenn einer oder mehrere Punkte für eines ihrer Tageskinder zutreffen, sollten Sie tätig werden.

Verfahren bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

1. Beobachten und dokumentieren Sie mögliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohles. Einen Dokumentationsbogen können Sie sich hier herunterladen . Ihre genauen Beobachtungen sind hilfreich, damit Sie eine fundierte Grundlage für Gespräche mit Fachleuten haben, die über das weitere Vorgehen entscheiden.

Unterscheiden Sie bei der Dokumentation

  • Ihre Beobachtung
  • Ihre Interpretation
  • Ihre Bewertung

und berücksichtigen Sie die Ressourcen des Kindes und seiner Familie. Welche Kontakte/Bezugspersonen hat das Kind noch? Was läuft gut in der Familie und welche positiven sozialen Kontakte gibt es?

2. Sprechen Sie über Ihre Beobachtungen mit der Fachberatung Kindertagespflege

Fachberatung Kindertagespflege
des Ev.-luth. Kindertagesstättenverbandes Lüneburg
Bei der St. Johanniskirche 3
21335 Lüneburg

Telefon: 04131-35513
Mail:

3. Holen Sie sich Hilfe von Fachleuten

In Lüneburg sind erfahrene Fachleute zum Thema Kindeswohlgefährdung in der Erziehungsberatungsstelle und beim Kinderschutzbund zu finden. Teilen Sie Ihre Beobachtungen der Stelle Ihres Vertrauens mit. Ihre Aufzeichnungen helfen, um eine Bewertung der Situation vornehmen zu können.

Das Lüneburger Ampelmodell

Lüneburg – In Anlehnung an das „Gütersloher Ampelmodell“ erarbeiteten Vertreter und Vertreterinnen aus den Bereichen Beratung, Gesundheit, Polizei und Jugendhilfe ein entsprechendes Ampelmodell für Lüneburg. Es definiert Warnsignale und protektive Faktoren für die Kindesentwicklung in der Altersgruppe 0 bis 3 Jahre und berücksichtigt medizinische sowie psychosoziale Aspekte. https://www.tmlg.de/wp-content/uploads/2018/07/Lueneburger-Ampelmodell.pdf

Erziehungsberatungsstelle Lüneburg
Große Bäckerstraße 23 , 21335 Lüneburg
Für Hansestadt und Landkreis Lüneburg: Tel.: 04131-2244960
Mail:  
www.lueneburg.de/erziehungsberatung 

Sie können telefonisch montags bis donnerstags in der Zeit von 09:00 bis 15:00 Uhr einen Termin vereinbaren. Außerhalb dieser Zeiten erreichen Sie uns über den Anrufbeantworter. Für ein offenes Beratungsangebot können Sie auch ohne Voranmeldung zu uns kommen, dienstags 15:00 Uhr bis 16:00 Uhr, mittwochs 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr

Deutscher Kinderschutzbund Lüneburg
Soltauer Str. 5a
21335 Lüneburg
Telefon: 04131- 82882

Mail:

In dringenden Fällen ist unter der Telefonnummer 04131/22 39 66 ein Anrufbeantworter geschaltet – wir rufen schnellstmöglich zurück.

Akute Gefährdungssituation

Ist die Gefährdung des Kindes so akut, dass die begründete Annahme besteht, nicht anders als durch eine Meldung beim Jugendamt eine Gefahr für Leib und Leben des Kindes abzuwenden, liegt ein Fall dringender Gefährdung vor. Dies gilt auch für die Fälle, in denen die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abwendung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. In diesen Fällen ist eine unverzügliche Information des Jugendamtes zwingend notwendig.

Stadt Lüneburg

Telefon: 04131-309-3350

Landkreis Lüneburg

Telefon: 04131-261718

Fall Sie dort keine zuständigen Mitarbeiter*in erreichen (Freitagnachmittag und am Wochenende), sollte die Polizei unter der Notrufnummer 110 eingeschaltet werden. Sie hat die aktuelle Notfallnummer des Jugendamtes. Bei einer Gefährdung oder dem Verdacht darauf ist immer der Schutz des Tageskindes sicher zu stellen.

Ein Gespräch mit den Eltern zum Thema Kindeswohl ist sehr sorgfältig vorzubereiten. Tageseltern sollten Eltern nicht allein mit dem Vorwurf der Misshandlung o. ä. konfrontieren. Wie die Erfahrungen zeigen, werden die Beschuldigten eine Gewalttat kaum zugeben. Zudem könnte ein Alleingang fatale Folgen für das Kind haben, wie z. B. eine Verschärfung der Gewalt dem Kind gegenüber, weitere Drohungen und Einschüchterungen, Kontaktverbote, sofortige Beendigung des Betreuungsverhältnisses und damit der Verlust einer stabilen Bezugsperson für das Kind.

„Gebraucht werden aufmerksame Erwachsene, die die Situation der Kinder erkennen, ihnen Unterstützung geben und ihnen weitere Hilfen vermitteln. Gerade die kleinen Kinder sind hier auf die Tageseltern angewiesen. Sie können sich aufgrund ihres Alters und ihrer Abhängigkeit nicht allein aus gewalttätigen Familienbeziehungen lösen.“ (Anne Marotzke- Richter, Kindeswohlgefährdung — Erkennen und Helfen, ZeT- Zeitschrift für Tagesmütter und -väter, 5/2009)

Weitere Literatur zum Thema